hart backbord 3-2016
- 11.03.2016Nr.03/2016 ; Nr. 03
hart backbord
Ein Blatt für Seeleute und interessierte Landratten
unabhängig, weltoffen und seefest
Hein Daddel in memoriam |
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Spruch der Woche:
An Land ertrinken
Wer niemals zwischen Nacht und Tag
In meerestiefem Rausch versunken
kieloben in der Gosse lag,
der ist noch nie in Schnaps ertrunken.Bern Hardy
Man schwitzt das Zeug ohne Gefahr
für Leib und Leben durch die Poren.
Wer erst mal eine Leiche war,
fühlt sich tagsdrauf wie neu geboren.
Hein Daddel in memoriam
Am Schönsten war das Fahren auf den alten, konventionellen Frachtern. Mit ihrem Verschwinden ging eine ganze Kultur unter. Die Arbeits- und Lebensweise der Seeleute hat sich seither total verändert. Nicht verändert aber hat sich die Faszination und Schönheit der See.
„Hein Daddel“ war an Bord die Bezeichnung für den Durchschnittsseemann, das Gegenstück zu „Otto Normalverbraucher“ für den Durchschnittsbürger an Land.
Auf den alten Frachtern wohnte Hein Daddel im Heck unter Deck über der Schiffsschraube, genannt ‚Hotel Schraube’. In dem darüber liegenden Deckshaus waren in der Regel die Messe und die Pantry untergebracht. Auf der „Transgermania ex Welheim“, gebaut 1949 bei Flender in Flensburg, lebte der Zimmermann im Deckshaus zwischen den Luken vier und fünf. Das war bei Schlechtwetter ein zweifelhaftes Vergnügen.
Hein Daddel hatte so einige Eigenheiten.
So war er in der Regel ledig und als Matrose oder Decksmann an Deck zu Hause. – Schmierer und Reiniger gehörten auch dazu, aber nicht so ganz...
Er legte sich gern mal mit dem Scheich (Bootsmann) oder dem Storekeeper in der Maschine an, trank öfters einen über den Durst und ließ in „Kanakeranien“ die Puppen tanzen.
Hein Daddel hatte einen Heidenrespekt vor dem Alten (Kapitän) auch bekannt als ‚master next God’. So Mancher hatte auch einige Strafanträge gesammelt, beantragt vom Kapitän beim Seemannsamt, für irgendwelche Untaten an Bord.
In der Regel fuhr Hein Daddel lange Zeit an Bord eines Schiffes, ein Jahr galt als gute Fahrtzeit, aber auch 18 Monate am Stück waren keine Seltenheit. An Land hielt er es nie lange aus, drei Wochen über einer Kneipe auf dem Kiez, (St.Pauli), im Seemannsheim oder im Stammhotel in Hamburg waren üblicherweise genug.
Hein Daddel war immer stolz auf den ältesten "Dampfern", bei der verrufensten Reederei gefahren zu haben. Bei der Annäherung an einen deutschen Hafen hatte er gern Schulden beim Funker, die beste Absicherung gegen einen ‚Sack’ (Kündigung). Der Funker war für die Verwaltung zuständig, unter anderem zahlte er die Vorschüsse aus. Auch zum Koch hatte Hein Daddel auch gern ein gutes Verhältnis, denn der hatte den Schlüssel zum Kühlraum – praktisch, wenn man sein Bier nicht warm trinken wollte.
Seine Schiffe holte sich Hein Daddel in Hamburg in der Regel bei "Max" auf dem Heuerstall - heute "Hotel Hafen", oberhalb der U-Bahnstation "Landungsbrücken".
Bei den großen Linienreedereien wie Hapag, genannt "Gottes eigene Reederei" oder Hamburg-Süd war er in der Regel nur auf den älteren Schiffen anzutreffen, denn die Seeleute, die etwas auf sich hielten, wollten immer den neuesten Schiffe fahren. Da war das Leben leichter, man hatte unter Umständen sogar eine Einzelkammer mit Aircondition. Allerdings wurde da "Style gefahren", das heißt, man hielt etwas auf Disziplin und es herrschte ein gewisser Dünkel gegenüber anderen Companies. Man war in der Regel stolz, nie bei einer anderen Reederei gefahren zu haben.
Über Egon Reith, einen Trampreeder, war Hein Daddel natürlich begeistert, als er 1970 zu der Zeit, als der Container sich langsam in der Schiffahrt durchsetzte, in einer Zeitung erklärte: „Was dem Seemann fehlt ist nicht eine bessere Kammer und eine höhere Heuer, nein, was dem deutschen Seemann fehlt, ist Disziplin....“
Das war was für Hein Daddel. Diese Töne waren ihm vertraut – und dann noch vom Chef einer der verrufensten Tramp-Reedereien, die aber immer die interessantesten Tripps und die ältesten "Gurken" (Schiffe) hatte.
Vertrieben haben Hein Daddel der Container und der technische Fortschritt. Mit dem Wegfall des Ladegeschirrs und der konventionellen Ladung, der Verminderung der Besatzungsstärke und last but not least, der Abschaffung des Matrosen und sein Ersatz durch den Schiffsmechaniker, kam ihm seine vertraute Welt abhanden.
Wo steckt er heute? Wo ist er abgeblieben? Ganz sicher hat er, wenn er noch lebt, eine Rente, war vielleicht noch einige Jahre im Hafen beschäftigt. So mancher sitzt heute knatterig und einsam im Seemannsheim oder in irgendeinem Altenheim und jubelt den Mitbewohnern Stories unter, von damals auf den schönen, alten Frachtern mit den tollen Trips, verrückten Gangs und tyrannischen Kapitänen.
Witz der Woche:
Im Krankenhaus. Schwester zum Arzt: "Der Simulant in Zimmer 12 ist gestorben." - "Was, jetzt übertreibt er aber..."
Fiete meint: „Ich geh nicht in die Klinik...
Aktualisiert ( Mittwoch, den 08. Februar 2017 um 14:59 Uhr )